Andacht
„Die Äpfel kosten drei Minuten“, sagt Emma, die zweijährige Nichte meines Mannes, zu mir und streckt mir auffordernd ihre kleine Hand entgegen. Seit Weihnachten ist Emma stolze Besitzerin eines eigenen Kaufladens. „Oh“, antworte ich, „das ist ein guter Preis. Dann nehme ich gleich zwei Äpfel.“
Drei Minuten – im ersten Moment musste ich schmunzeln über Emmas Preisgestaltung. Aber dann dachte ich: Eigentlich hat sie recht. Unsere Zeit gehört zu den wertvollsten Dingen, die wir haben. Sie ist so viel wertvoller als Geld. Und letztlich bezahlen wir tatsächlich alles mit unserer Zeit. Schließlich müssen wir für unser Geld arbeiten. Und da sollte man sich vielleicht öfter mal fragen: Ist das, was ich mir kaufen will, wirklich so viel Lebenszeit wert?
Deutlich länger als drei Minuten hat die Elternzeit gedauert, die nun hinter mir liegt. Anderthalb Jahre war ich nicht im Dienst, was mir, im Rückblick betrachtet, sehr lang vorkommt. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass das Zeitempfinden unter anderem mit der Dichte der Erlebnisse zusammenhängt. Wenn man viel erlebt, dann kommt einem die Zeit länger vor. Darum sagen viele Menschen: „Je älter ich werde, desto schneller vergeht die Zeit.“ Sie erleben nicht mehr so viel Neues.
Für Kinder dagegen ist jeder Tag ein Abenteuer und damit vergeht die Zeit für sie gefühlt sehr viel langsamer.
Die vergangenen anderthalb Jahre sind für mich auch eine Zeit mit so viel Neuem, Wunderbarem und Herausforderndem gewesen. Eine besondere Zeit, eine gefüllte und erfüllte Zeit.
Nun kehre ich zum 1. April mit einer halben Stelle in den Dienst zurück. Ich freue mich schon sehr darauf, mache mir aber auch Gedanken, ob es mir gelingen wird, Kind und Beruf gut miteinander zu vereinbaren. Vermutlich werde ich dazu Prioritäten setzen und sehr sorgsam auf meine Zeit achten müssen.
Aber gilt das nicht eigentlich für jeden? Wie gesagt, die Zeit gehört zu den kostbarsten Dingen, die wir haben. Sie mal genauer in den Blick zu nehmen, könnte auch ein Projekt für die Fastenzeit sein. Wofür will ich meine Zeit verwenden? Und sind Handy, Computer und Fernseher es wirklich wert, dass ich so viel meiner Lebenszeit für sie aufwende?
Ein Blick in die Bibel zeigt: Als Jesu Zeit knapp wurde, da hat er sich auf dem Weg nach Jerusalem erstmal Zeit für den blinden Bartimäus genommen. Und seinen allerletzten Abend hat er mit seinen Freunden und dem Gebet zu Gott verbracht.
„Die Äpfel kosten drei Minuten.“ Zeit ist etwas sehr Wertvolles. Ein Geschenk von Gott an uns. Und noch etwas schenkt er uns. Dass wir in keiner Zeit unseres Lebens allein sind, ob sie nun fröhlich oder traurig ist, erfüllt oder viel zu voll, rasend schnell vergeht oder sich zieht wie Kaugummi. Denn unsere Zeit steht in seinen Händen (Ps 31,16). Sie ist von ihm getragen und gehalten.
Herzlichst
Ihre Pfarrerin Emilie Berreth
